Die Religion der Irular

Über indische Religiosität allgemein

Zunächst eine Bemerkung über die indische Religion (Hinduismus) allgemein.

Im Westen wird sie eigentlich immer missverstanden. Man sieht nur die vielen Götterbilder und spricht dann von Polytheismus.

In Wirklichkeit sind all die vielen Gottheiten nur Erscheinungsformen verschiedener Teilaspekte eines alles in allem Seienden wirkenden und in ihm pulsierenden göttlichen Urgrundes – im Englischen ultimate reality genannt, in den Sprachen Indiens Brahman. Die Götter sind nur Avatare – Teilerscheinungen, von einzelnen Eigenschaften des göttlichen Urgrundes.  Sie sind nicht unveränderlich und auch nicht unsterblich.  

Es ist also sachlich nicht richtig den Hinduismus als Polytheismus zu bezeichnen und es ist noch weniger richtig ihn so in einen Gegensatz zum christlich-jüdisch-islamischen Monotheismus zu stellen.  

Der Hinduismus ist eine besonderer Spielart des Monotheismus, die wir als Pantheismus (Allgottglaube) bezeichnen können, weil er von einer göttlichen Urkraft ausgeht, die alles durchwirkt.

Was die Irular von K. über ihre Gottheiten erzählt haben, zeigt interessanterweise , den Charakter der Avatare, des Teilaspektes und der Umwandlung einer Gottheit in die andere ganz besonders deutlich.

Kanniyammal und Mariamman

Die Irular aus K. haben eine Gottheit, die direkt wirkt und von der am meisten die Rede ist, und sie erwähnen manchmal eine andere, die hinter allem steht, die aber nicht in Erscheinung tritt.

Die wirkende Göttin ist Kanniyammal. Der Göttin ist der Neembaum heilig und sie wohnt in einem See.

Hinter ihr und allem steht der Tatta, Großvater, namens Viramalai

Er tritt nicht in Erscheinung, wird nicht angebetet, empfängt keine Opfer.  Er wirkt durch Kanniyammal, gibt durch sie seine Kraft weiter, wird über sie angerufen und erhält über sie Opfer.

Kanniyamal hat aber auch eine Zwillingsschwester Mariamman. Kanniyamal wirkt durch Mariamman.

Auf meine Frage, wie denn ihr Verhältnis zueinander sei antwortete der Taliver, mein Informant:

Kanniyamal besteht aus den 7 Kanni, den 7 Frauen ohne Mann. Mariamman besteht ebenfalls aus 7 Kannis. Beide zusammen bestehen aber nicht aus 14 Kannis sondern wieder aus 7. Das heißt Kanniyamal und Mariamman sind eigentlich identisch. 

Wenn sie getrennt dargestellt werden, dann hat das nur einen Grund:  Kanniyammal nimmt nur Opfer von Feuer, von Kokosnüssen und Farbe entgegen. Für Mariamman werden Ziegen geschlachtet. Kanniyamal dagegen lehnt tierische Opfer ab und hat deswegen begonnen sich von Mariamman abzugrenzen, obwohl sie zugleich mit ihr identisch ist.

(Kanniyamal und Mariamman werden auch von Hindus verehrt - allerdings ausschließlich von einfachen Landleuten.  Die unterhalten Tempel für die beiden Gottheiten.  In Aufstellungen über die indischen Hochgottheiten wird, Kanniyammal nicht genannt, gelegentlich als Gottheit der Landbevölkerung Mariamman.)

Neembaumblätter und Pockenseuche

Bei Kanniyammal scheint es sich ursprünglich um eine Irular Gottheiten zu handeln, und zwar um eine mit ausgesprochen mutterrechtlichen Charakter. Sie war und ist eine Personifizierungen der Pockenseuche. Ihr Wohnsitz ist (oder war ursprünglich) der Neembaum. Neemblätter haben eine desinfizierende Wirkung und wurden traditionell zur Heilung der Pockenkranken herangezogen.

 Gottheiten, die eine Krankheit bringen, die aber auch vor der gleichen Krankheit schützen und sie heilen, sind uralte vorhinduistisch volkstümliche Gottheiten, ursprünglich Krankheitsdämonen. Die nordindische Pockengöttin Shitala ist eine Kollegin der Kanniyamal bezw. Mariyamman. In Bali wird Ratu Gede Tegahing Segara als Gottheit, die einerseits die Cholera bringt und sie andererseits vertreibt (sie jedenfalls beherrscht), verehrt.  

Puja anlässlich der Einweihung eines Hauses in der Irular Siedlung Malalinatham.

Hindugottheiten - angepasst an die Ethnoreligion

Die übrigen Gottheiten die die Irular verehren sind ganz offensichtlich aus dem indischen Pantheon übernommen.

Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei die Gottheiten, die die Himmelsrichtungen bewachen und repräsentieren.

Es geht dabei einmal um die vier Hauptrichtungen, die Kardinalrichtungen Ost, Süd, West und Nord, ergänzt durch die Mitte, die von Kanniyammal selbst besetzt ist. Dann aber auch wieder um die acht Himmelsrichtungen, ebenfalls ergänzt durch Kanniyamal in der Mitte.

Die Gottheiten der Himmelsrichtungen schützen Kanniyammal in der Mitte, verfließen aber auch mit ihr.

Es besteht nämlich die Vorstellung, dass Kanniyammal die Menschen immer aus einer der verschiedenen Himmelsrichtungen her kommend besucht. In diesen Augenblicken verschmilzt sie mit der Gottheit der jeweiligen Richtung.

Diese "göttliche Windrose" ist in vielen Kulturen Asiens, - Indien , Bali, Tibet, China – bekannt, aber auch bei den Indianern Nord- und Mittelamerikas.

Die Gottheiten sind natürlich immer unterschiedlich.

Einmalig bei den Irular ist, dass die Mehrzahl – 5 von 9 - der Gottheiten weiblich ist. Üblicherweise, und natürlich auch bei den stark patriarchalisch eingestellten Hindus, sind die Gottheiten der Richtungen alle männlich.

Dies spiegelt wieder die sehr hohe nahezu gleichberechtigte Stellung der Frauen und Mädchen bei den Irular - und auch die Tatsache, dass bei Gleichberechtigung die Frauen wegen ihrer größeren Beweglichkeit in der Gesellschaft quasi von selbst ein gewisses Übergewicht erhalten.  

Aus schama-nisch begabten Menschen spricht in Trance die  Gottheit.   Sie berät die Leute, was sie bei Krankheiten tun sollen oder wie sie schwierige Situationen meistern. 

Direkte Befragung der Gottheit

Man kann die Religion der Irular sowohl als eine Art Ur-Hinduismus südindischer Prägung auffassen oder aber als eine Ethno-Religion, die sich unter dem Einfluss des Hinduismus stark wandelte und immer noch wandelt.

Da die Irular keine Schrift haben, sind die Prinzipien ihrer Religion auch nirgends festgelegt. Leute mit schamanische Begabung, darunter der religiöse Leiter des Ortes, der Taliver, sorgen für die Ausübung der Religion. Sie organisieren die Feste, geben in Trance die Antworten der Gottheit auf die Fragen und Bitten der Menschen weiter. Das heißt: Probleme des Einzelne, aber auch der Gemeinschaft werden der Gottheit vorgelegt, die sie auch löst. Die entsprechenden Fragen werden an die Gottheit nicht nur in >>> Trance, sondern auch im Rahmen von Orakel (Divination) gerichtet.

Von daher ist zu erwarten, das sich die religiösen Bräuche und Einstellung in den verschiedenen Irular-Gemeinschaften in kurzer Zeit recht unterschiedlich entwickeln.

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„Zukunft Irular e.V“ fördert die Kinder von Ureinwohnern.  Hier erzählt Günter Spitzing über seine Freunde, die Irular.

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Irular Kind aus dem Ureinwohnerdorf K.
Irular Kind aus dem Ureinwohnerdorf K.

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Freundliches Mädchen aus Irular Dorf.
Freundliches Mädchen aus Irular Dorf.
Die pfiffige Magalakshmi. Tochter von Shanjiwi.
Die pfiffige Magalakshmi. Tochter von Shanjiwi.
Würdige Ureinwohner-Frau
Würdige Ureinwohner-Frau


freundliches Irular Mädchen

Älterer Ureinwohner.
Älterer Ureinwohner.
Zu Ehren der Gottheit farbig bemalt.
Zu Ehren der Gottheit farbig bemalt.
Irular Mädchen aus K..
Irular Mädchen aus K..
Er trägt die Gottheit aus Neemzweigen.
Er trägt die Gottheit aus Neemzweigen.
Älterer Irular Adivasi
Älterer Irular Adivasi

Schüchternes Irular Kind

Pfiffiges Mädchen aus Shenneri
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Mädchen aus Tondamanallur
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Logo Zukunft Irular e.V.
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