Das große vier Tage währende Jahresfest der Irular im Monat Adimasam

Das Fest findet im Tamil Monat Adimasam, der etwa in unsern Hochsommer (Ende Juli oder Anfang August) fällt.  Die Irular heiraten im Adimasam nicht.  Im Folgemonat werden keine Feste gefeiert.

(Ich hatte viermal Gelegenheit das Fest mitzuerleben und habe je zweimal fotografisch und filmisch dokumentieren können.) 

Der erste Festtag - Freitag: Sandelholzpuder-Tag

Vom Morgen an tröpfeln die Irular nach und nach auf dem Festplatz ein. Das ist ein heiliger See, ein langgezogener Teich mit bräunlichem Wasser umgeben von schütteren Rasenflächen. Er ist zu Fuß zu erreichen in einer knappen Viertelstunde. Der See und seine Umgebung gelten als heilig. Man darf sich dort nur barfüßig bewegen. Vor dem Ufer der flachen Sees hocken zunächst ein kleines Häufchen Männer und Frauen, zu denen sich nach und nach immer mehr zugesellen. Vor ihnen sind ausgebreitet Früchte, und andere Dingen zum Opfern, aber auch ein machetenähnliches Kurzschwert. Einer fertigt aus Fasern eine Peitsche an und legt sie dazu. Zwei Frauen bestreichen zwei bauchige Töpfe mit Sandelholzpaste und setzten Punkte aus rotem Pulver darauf. Vor allem der eine der beiden Töpfe wird heilig gehalten und das Jahr über in dem bescheidenen Tempel am Ort aufbewahrt.

Jetzt geht es darum diesen Topf als zeitweiliger Aufenthaltsort der Göttin Kanniyamal, der der Neembaum heilig ist, auszuschmücken. Der Topf wird also zur Göttinnenstatue aufgeputzt. Das sollte etwa zwei Stunden in Anspruch nehmen.

Während die Verzierung der Töpfe mit farbigem Pulvern Frauensache war, wird die weitere Ausgestaltung die Männer übernommen. Erst geben sie Wasser vom See in den Topf, dann Neemblätter, dann gibt jeder der Anwesenden eine Münze hinein, und zuletzt entzündet man darin ein Stück Kampfer und gibt es hinein. Es ist nur der schwarze Rauch zu sehen, der aus dem Gefäß aufsteigt.

Die vier Basiselemente der Gottheit

¨      Wasser des Sees: Die Göttin ist der Geist des Sees, sie   wohnt in ihm, ist mit ihm identisch.

¨      Neemblätter: Der Neembaum ist der Göttin heilig.   Sie heilt mit Neemblättern, verkörpert sich im Neembaum – die Göttin besteht aus Neemlaub

¨      Münzen:   Wert und Heil für das Leben der Gruppe

¨      Kampferfeuer: Das Feuer hat eine reinigende Kraft.

      Wasser und Feuer bilden Urgegensätze, die zusammen-wirken müssen um das Ganze / die Ganzheit zu repräsentieren.

                                                    Beziehung

                                

                                                   Natur:                      Kultur:

                                    Wasser            Feuer

Gegensatz                           lässt entstehen       lässt entstehen

                                            Neemlaub        Münzen

Es geht am ersten Tag darum die Gottheit >>> Kanniyammal aus Neenzweigen zu schaffen und sie in einer Prozession in den Ort zu bringen, dort im Tempel unterzubringen. Daran anschließend folgen – auch am nächsten Tag – private Feiern in den Familien.

So wird der Körper der Gottheit geschaffen:  Ein dicker Strauß aus Neem-Zweigen wird mit Schnüren straff umwunden in das Gefäß gesteckt. Dann wird der Neem-Busch mit Blüten dekoriert. Über das Ganze wird eine Ehrenketten aus weißen Blüten gestreift. Schließlich wird der zweite Topf – ein einfacher Tontopf, etwa in der Form eines Kopfes mit einem Gesicht, ebenfalls mit Neemzweigen gefüllt, der Götterstatue beigeben und sie beide auf ein Bett von Neemblättern gesetzt.

Kanniyamal ist die Pockengöttin und ihr ist der Neembaum heilig. Sie kann die Krankheit senden, aber sie kann auch davor bewarhen oder sie heilen. Neemblätter, denen die Kraft der Gottheit innewohnt, dienen zur Behandlung der Infektion. Pockenkranke werden, ähnlich wie diese vegetabilische Göttinnenfigur, auf einen Teppich von Neemblättern gebettet.

Kanniyamal ist die Herrin über die Pocken.  Der Neem-tree ist ihr heilig. Sie kann die Krankheit senden, aber sie auch heilen. Mit Neemblätter wird die Infek-tion bekämpft. 

Allmählich sammelten sich eine Musikgruppe, ein Mann mit Tamburin, einer mit einer Trommel aus einem Tonkörper. Die Trommelfelle wurden zwischendurch über einem Feuerchen von trockenem Laub erhitzt und so frisch gespannt. Dazu singt eine Frau mit erhobener klarer Stimme. Weitere Frauen begleiteten sie. Andere Frauen – meist ältere - fangen an zu tanzen und zugleich mitzusingen – sehr temperamentvoll ekstatisch.

Vor der Göttin wird nunmehr geopfert und gebetet um das Wohlergehen der Gemeinde.

Auf einem Metalltablett, auf dem ebenfalls die der Kanniyamal und der Kali heiligen Limonen liegen, wird ein Kampferfeuer entzündet, das ein Mann vor der Neemzweig-Gottheit kreißen lässt.

Die Blätter- und Blumenstatue ist inzwischen über und über mit bunten Ehrengirlanden behängt. 

 

Ein junger Mann wurde mit Sandelfarbe total bestrichen und mit roten Tupfen verziert. Er sollte die Göttin tragen. Das darf nur ein noch unverheirateter oder ein alter verwitweter Mann. Ein Verheirateter kann die Göttin nicht repräsentieren. (Vielleicht weil der Träger als mit der Göttin verheiratet oder verschmolzen gilt - solange er die Figur auf dem Kopf hat.) Es hatten sich inzwischen doch mehrere Leute aus dem Dorf eingefunden. Sie reichten sich gegenseitig Sandelholzpaste weiter, beschmierten gegenseitig ihre Gesichter und setzten hinterher rote Kunguma Farbpunkte darauf.

Einer der Männer nähert sich nun der Gottheit. Er fällt vor ihr nieder, gerät angefeuert durch die lauten und sehr drängenden Dei-Dei-Rufe der Frauen und Kinder in Trance. (Dei ist ein Auforderung an die Gottheit zu kommen. Sie wird immer an Menschen gerichtet, in die die Gottheit fahren soll.)  

 >>> Trance

Er schlägt das Langmesser mit der Schneide gegen seine Brust.  Die Spuren früherer Schläge sind darauf zu sehen.  Es entstehen aber keine Verletzungen und er spürt auch keinen Schmerz. 

(In ähnlicher Weise richten Trancetänzer in Bali die Spitze eines Krises gegen ihre Brust ohne sich dabei zu verletzten.)

Jetzt setzt sich der Zug wieder in Bewegung. Andere Männer gehen mit quergehaltenen Messer auf das Bild los, zucken zurück, schlagen sich das Messer gegen die Brust. Dabei fließt kein Blut. Die Männer verletzen sich nicht.

Frauen fallen in Trance, einige so schwer, dass sie von anderen festgehalten werden müssen. Sie stöhnen und zucken, sie hängen durch und lassen sich fallen. Worte werden nicht ausgestoßen. Zunächst hatten Kinder diejenigen, die in Trance geraten sollten, angefeuert, dann tun das so ziemlich alle. Die ganze Gemeinschaft ist in einer ekstatischer Stimmung, die die Basis für die Trance der Einzelnen bildet. Siwagami geht neben der Gottheit. Erst fälll das Mädchen links, dann das rechts neben ihr in Trance. Erstaunlich, das hier so viele junge Mädchen in eine langanhaltende Trance geraten.

Das Peitschen wurde sowohl eingesetzt um die Jungs zur Trance aufzupeitschen, als auch um die Trance zu stoppen. Allerdings: Gepeitscht wird nicht wenn jemand in Trance fällt, sondern nun, wenn er – in welchem Zustand auch immer - sich vor die Gottheit wirft.

Mitunter setzen sich mehrei junge Männer vor das Götterbild, stoppen den Zug. Sie werden mit den Faserpeitschen geschlagen und zwar auf die Handgelenke. Dabei gehen die Schläger maßvoll vor, zwei drei Schläge, dann ruft schon einer „genug“ dazwischen. Das reicht aber aus, das die Jungen sofort in Trance geraten. Manchmal vergisst sich einer der Schlagenden, gerät selbst in Trance und schlägt immer heftiger und aufgeregter zu. Er wird aber schnell von den anderen gestoppt, festgehalten und stürzt zu Boden. Einige junge Männer rutschen wie wild durch die Gegend. Drei oder vier anderer stürzten sich auf sie um sie unter Kontrolle zu bekommen. Immer mehr Jugendliche setzten sich mit erhobenen Händen vor das Bild. 

Er hat sich schon mit dem Langmesser geschlagen und hebt danach die Hand um gepeitscht zu werden.  In seinem Zustand merkt er nichts und empfindet auch keine Schmerz.  

Sobald der Zug vor der kleine Tempel-Hütte im Ort angekommen ist, gerät noch einmal eine Frau in eine ganz maßlose Trance. Dann wird die Gottheit vom Kopf des Mannes heruntergenommen und im Tempel aufgestellt.

Einige Zeit später formiert sich ein kleinerer Zug. Die Gottheit wird wieder einem Träger auf den Kopf gesetzt.  Der Zug wandert, von Trommelrhythmen begleitet, von Haus zu Haus.

Eine kleine Prozession wandert von Haus zu Haus.  Vor jeder Hütte wird sie mit Opfergaben empfangen.  

 

Der zweite Festtag - Samstag: Feiern in der Familie

Am Samstag feiert man zu Hause in den Familien. Allerdings wird die Gottheit wiedr herumgetragen von Haus zu Haus. Nicht nur aus den Irular-Hütten tritt die Hausfrau oder die älteste Tochter, heraus, um zu opfern. Auch vor den Häusern vieler Hindus wird eine Puja dargebracht.

Two Godesses are contracted from Neem Leaves in the morning of the third day.  Kanniyammal and Mariamman are taken as different aspects of one Divine Power.
Two Godesses are contracted from Neem Leaves in the morning of the third day. Kanniyammal and Mariamman are taken as different aspects of one Divine Power.

Am dritten Tag morgens werden zwei Gottheiten aus den Zweigen des Neem Tree geformt.  Zu  Kanniyammal gesellt sich  Mariyamman.  Beide sind Zwillinge und gelten letztlich als unter-schiedliche Aspekte einer Gottheit

Der dritte Festtag - Sonntag: Tag der Zwillingsgottheit

gegen 9 Uhr im Dorf.  Einige Irular waren schon am See.  Die meisten Frauen waren in Gelb gekleidet.  

Der heutige 3. Tag sollte fast eine Art Wiederholung des ersten Tages bringen.

Dass gibt es allerding zwei wesentliche Unterschiede.

+++   Neben der Neemlaubfigur für Kanniyamal, entstand eine zweite Figur.  

+++   Nach der Prozession mit den zwei Gottheiten vom See zum Dorf löste sich nicht alles in häusliche Feiern auf, sondern es ging weiter mit gemeinsamen Zeremonien bis in die Nacht hinein.

 

Von den beiden Statuen aus mit Blüten überzogenen Neemzweigen ist die eine, die schon vorgestern fertiggestellt wurde, Kaniyammal. Die andere ist ihre Zwillingsschwester und eigentlich - so sagen es die Irular - auch irgendwie mit Kanniyamal identisch. Sie hat die gleichen Funktionen und heißt Mariamman.

Wie gestern wurden die Göttin ausgiebig geschmückt. Im Hintergrund spielten wiederi Trommler, die Frauen sangen und einige tanzten temperamentvoll bis ausgelassen. Zwei junge Männer bereiteten sich vor die beiden Statuen zu tragen. Sie stürzten sich zunächst ins Wasser und schwammen.

Angriff auf die Gottheiten - aber nur zum Schein!  Danach richtet er das Schwert gegen sich selbst.  Er übersteht die Hiebe, die er sich mit der Schneide zufügt, ohne Verletzungen.

Gelb ist offensichtlich die Farbe des heutigen Tages: In eine Männergruppe hing einer dem anderen mit einem lauten Schlachtruf eine gelbe Schnur um. Die Umstehenden, nicht zuletzt auch die Kinder, schrien und klatschten dazu. Dann, nachdem ein Licht vor den Göttinnen entzündet war und eine Kokosnuss geopfert, kam wieder einer, nahm die Machete, geriet in Trance, focht einen Scheinkampf mit der Gottheit aus, schlug sich die flache Klinge gegen die Brust.  Das geschah mehrfach in verschiedene Himmelsrichtungen.  Er hob dann ebenfalls noch in Trance die Gottheiten hoch und mehrere Männer halfen sie den beiden Träger auf den Kopf zu setzte.

Der Zug zog los. Wieder gerieten mehrere Männer in eine heftige Trance und ließen sich peitschen. Einige erlitten den typischen Zusammenbruch, wurden mit Wasser bespritzt und bekamen zu trinken, waren dann aber schnell wieder "erweckt". Sivagami war es in der Regel, die in der Prozession

Die Trommler trommeln unentwegt, die Singenden singen unetnwegt und die tanzenden Frauen tanzen unentwegt. Währenddessen ergreifen die Gottheiten von einem nach dem anderen Besitz. Die Umstehenden brachen in hektische Dei-Dei-Rufe aus, die anfeuern und aussagen sollen, dass die Gottheit anwesend ist.

Die meisten Mädchen und Frauen geraten in eine leichte aber lange anhaltende Trance. Doch eine, die charakteristischer Weise in leuchtendes Rot gekleidet ist, wird völlig entfesselt, wirft sich vor das Götterbild, hantiert mit dem Schwert, das sie gegen die Brust schlägt, hält demonstrativ die Hand hoch um die Peitschenhiebe zu empfangen.

Im Allgemeinen ist das Schwerdrohen und Gepeitschtwerden, Männersache. Aber Frauen, die das wollen, können sich eben auch dem unterziehen.

Die interessanteste Trance-Erscheinung ist zweifellos der Scheinangriff gegen die Gottheit und die Attacke mit dem Messer gegen den eigenen Körper, der dabei nicht verletzt wird.

Im Prinzip hatte ich das schon früher häufig beobachten können – nicht in Indien, sondern in Bali. Hier ist das Ngrereg bei Tempelfesten sehr verbreitet. Der Kris, der Malaiendolch wird gegen die eigene Brust gerichtet in Bali mit der Spitze, bei den Irular mit dr Schneide. In beiden Fällen sind die Muskeln derart angespannt, dass die Klinge nicht in den Körper eindringen kann.

Auch in Bali geht dem Angriff gegen den eigenen Körper in der Regel ein unvollendeter Angriff gegen eine Gottheit voraus.

Ich hatte bevor ich die Trance bei den Irular erlebt, den Krisangriff in Bali als eine einmalige nur dort bekannte Erscheinung angesehen.

Sobald die Gottheiten im Dorf angekommen sind, werden sie wieder zu dem einfachen Tempel gebracht. Dann gehen die Leute auseinander um zu Hause das zu essen, was seit dem Vormittag schon in ihren Töpfen brodelte. Anschließend wird die Statue der Kanniyamal zu den einzelen Häusern, auch zu abgelegenen, gebracht.

Während der Zeit ist es ruhig im Dorf.

Es dauert geraume Zeit - die Dunkelheit hat schon begonnen ihren schwarzen Vorhang nach unten gleiten zu lassen - bis der Zug mit der Gottheit zurückkommt, erst durchs Dorf eilt und ein Haus nach dem andern aufsucht. Vor jedem Haus wird erst zu den Trommel-Schlägen kurz und wild getanzt. Manchmal kommt es zu Trance mit Scheindrohungen und Peitschen oder auch einfacher Trance mit Zittern und Stöhnen. Vor der Blütengottheit lässt man das Tablett mit dem Kampferfeuer kreisen. Die Hausfrau umgeht dann mit einer Lampe dreimal den jungen Man mit der Statue auf dem Kopf.   Neugeborene werden der Gottheit zu Füßen gelegt. Das geht so Haus für Haus.

Zum Abschluss des langen Rundganges zieht die Prozession nochmals am Tempel vorbei bis zur Hauptstraße. Dort warten einige Dorfoberhäupter (keine Irular) aus der Nachbarschaft bereits auf uns. Für sie wird auf einem Fleckchen Erde neben der Straße eine Reihe Kampfer entzündet, dann das Kampfertablett geschwenkt. Schließlich werden ihnen Ehrengirlanden mit Blüten in den Farben Indiens um den Hals gelegt.

Dann wird die Gottheit zum Tempel gebracht und dort abgesetzt.

Ein Berg aus Reismehl bildet die Grundlage des "Kumbam".

Und nun beginnt sich aus dem allen eine ergreifende Zeremonie herauszuschälen. Einige – natürlich die Hauptmatadoren des Ereignisses – schütten Reismehl auf den Boden, zeichneten damit einen schlohweißen Kreis, den sie größer und größer formen. Eine der Frauen streut außen herum neun Kolam-Figuren. Von der Kochstelle nebenan wird gekochter Reis geholt und zu einem oben spitzen Hügel geformt. Er wird kumbam genannt.

Der fertige Reishügel wird mit einer Schicht Süßkartoffel bedeckt und mit einer Lampe gekrönt. Außen herum wird ein Kranz halbierter Kokosnüsse, deren Wasser - was wohl als Opfer gedacht war - auf den Boden entleert wurde. Außen herum werden neun Kampferstücke gelegt und angezündet und auch vor dem Bild der Gottheiten wurde Kampfer entzündet. Das alles wirkt recht weihnachtlich.

Tatsächlich bedeuten die 9 Flammen die Nawagraha, die neun indischen Planetengottheiten. (Allerdings werden in jedem Jahr andere Gottheiten eingeladen und als Flammensymbole – zum Beispiel 7 Flammen – dargestellt.)

The complete Kumbam, surrounded by camphora lihgts.  However it looks lick a cosmic model.
The complete Kumbam, surrounded by camphora lihgts. However it looks lick a cosmic model.

Der fertige mit brennenden Kampfer-stückchen umgebene Kumbam. 

Er besteht aus Reismehl, bedeckt mit einer Schicht  Süßkartoffeln. 

Ein Bild der Welt aus Nahrungsmitteln

Dann bildete sich eine Reihe unter Führung von Sivagamis Vater, der ein Tablett mit brennendem Kampfer hielt.  Männer Freuen und Kinder reihten sich ein und umgingen im geschlossnen Kreis und im Uhrzeigersinn mehrmals um das brennende Arrangement - ein Universums aus Mitteln, die das Leben ermöglichen.  Alle dargebrachten und miteinander geteilten Opfer sind vegetarischer Natur.  Tier- und Blutopfer für Kanniyammal lehnen die Irular hier ja ab.  Ich denke mir, das man fühlen kann, wie der Makrokosmos mit seinen Sternenwelten hier mit dem Mikrokosmos der Dinge, die Lebensenergie für den Menschen bedeutet, verschmilzt. 

Gegen 12 Uhr wird es Zeit für mich das Dorf zu verlassen.  

Die Welt aus Neem-Tree-Laub, ausge-richtet nach den vier Kardinal- Himmels-richtungen

Der vierte Festtag - Montag: Die Gottheit kehrt wieder heim

Um ½ 5 vor dem Kovil (Tempelhütte) der Irula:   Alles schlief und einsam wachte Sivagami und ihrer Freundinnen und nach und nach kamen, die kleinen Mädchen an, die sichtlich am muntersten waren. Frauen und Kinder – auch Frauen mit klitzekleinen Babys, lagen unter der Mandapam, die Männer meist im Umkreis verstreut. Die, die die Hauptrolle spielten beim Fest schliefen im Tempel. Die Bilder der Zwillingsgottheiten standen wie erwähnt links davor. Im Inneren waren sonst Säcke mit Reis gelagert, und die Attribute wie Schwerter und Peitsche.

 

So ganz allmählich begannen mehrere Männer ein Gestell seitlich rechts vor dem Tempel aufzurichten und es mit Leitern an allen vier Seiten und zu versehen und einen dicken Teppich von Neemlaub darauf zu legen. Zwei formten dahinter einen langgestreckten gut durchgefeuchteten Tonhügel mit zwei Eindellungen.

Nachdem die Aufbauten fertig waren, wurden erst die Trommler und Sängerinnen wieder aktiv und dann setzte auch schon eine Reihe von höchst interessanter Riten ein.

Der Bodenaltar (vorne), geschmückt mit weißen Kolam-Ornamenten.

Im Hintergrund das Neem-Laub Weltbildmodell.

1.   Eine Puja – deren Hauptbestandteil ist das kreisende Tablett mit der Kampferflamme – wurde an dem  ganz tief auf der Erde aufsitzenden  Bodenalter zelebriert. (Kolams sind hier das für die heiligen Orte, was in den christlichen Kirchen die Paramente sind). Der Bodenaltar ist Mariamman gewidmet, dem chtonischen Aspekt von Kanniyamal.
Zum Abschluss konnten sich die Teilnehmer dreimal mit Feuer reinigen. Kurz die Hände übers Feuer gehalten und dann die Hände vors Gesicht gehalten, so dass man den Segen der heiligen Flamme auf sich selbst überträgt. (Das ist eine bei Hindus und andern indischen Religionen übliche verbreitet Form der Segenshandlung).

The Neem Leaf Godesses above the mound of Earth.
The Neem Leaf Godesses above the mound of Earth.

Die beiden Neemlaub-Gottheiten auf dem Erdhügel.  Davor sieben Leuchten für die sieben Jungfrauen, aus denen die Gottheit Kanni-yammal besteht.

2.   Die beiden Blüten-Gottheiten wurden auf den Erdhügel gesetzt. Dafür waren die Dellen vorgesehen.

Beim Zer-stampfen von Reis zu Mehl gerät die junge Frau in Trance.

3.   Vor dem vierseitigem Gestell wurden von zwei Männern gehalten Metallschalen flach auf den aus dem Boden ragende Steinplatten aufgesetzt und festgehalten. Je zwei Mädchen zerstießen mit Bammbusstangen darin Reis zu Reismehl. Sie gerieten unter lebhaften Dei-Dei-Rufen eine nach der anderen in Trance.

Junge Männer klettern auf das Neem-Laub-Gestell und bringen das "Alam" als  "puja"  (Opfer, Ehrung)  dar. 

4.   Inzwischen war Reis und Reismehl auf das Gestell mit den vier Leiter – und zwar obenauf auf den Neem-Laub-Teppich - gebreitet worden. In den vier Ecken hingen Jasminkränzchen. (Die sollten später noch gebraucht werden.) Vier Jungen mit Flammentablett siegen hoch und hielten die Tabletts in die Luft und schwenkten sie. Sie führten das sogenannte "alam" durch.)  Es geht hier um die vier Himmelsrichtungen – zugleich um eine Aufgabenteilung zwischen Männern und Frauen. Einer der Jungen fiel in Trance. Wünschenswert wäre es gewesen, das dies allen passiert wäre.

5.   Dann fand eine Puja vor den beiden Göttinnen statt. Sie mündete in einem Orakel aus. Männer und Kinder konzentrierten sich auf Wünsche. Für jeden wurde auf eine geschmückte Kokosnuss eine Kette aus Jasminblüten gelegt (sie wurde vom  „Gestell der vier Himmelsrichtungen“ nebenan an genommen.). Oben auf wurde eine Limone gesetzt. Wenn nach einiger Zeit die Limone nach hinten fiel, war der Wunsch abschlägig beschieden, fiel sie nach vorne, bedeutete das Erfüllung.

Die Mädchen hatten uns angedroht: "Passt auf, wenn die Zeremonie zu Ende ist, werden wir Euch mit farbigen Wasser anspritzen und die Farbe geht nie mehr weg." Tatsächlich begann kurz darauf die Farbschlacht zusammen mit einem Umzug der Göttin.

Vor allem die Mädchen und Frauen waren trotz vorheriger Verhütungsversuche nicht davon abzuhalten uns auch mit einzufärben. Sie verwenden orangefarbenes, gelbes und blaues Farbwasser. .

Wir hatten gedacht, dass die Aktion nur kurz dauerte, dass wie bei Holi, dem nordindischen Fest, das im Februar/März stattfindet so einfach mit – mitunter geweihtem - Farbpulver oder Farbwasser (in der Regel Purpur) herumgestaubt und gespritzt würde. Doch hier liefen alle Spritzerinnen und Spritzer hinter der Blumengottheit her. Die einzelnen Häuser wurden wieder der Reihe nach vom Träger mit der Neembaumgöttin aufgesucht und die heraustretenden Bewohner mit den Farbenwassern verfolgt.

Es ist völlig klar, dass die Irular hier Erscheinungen des Holi-Festes adoptierten, aber umgestaltet und in ihren geschlossenen vier Tage (entsprechend den vier Himmelsrichtungen) dauernden Festzyklus so einbauten, wie wenn das von Anfang an dazugehört hätte. Dass das Holifest die Irular, die starke Farbe – Goldgelb und vor allem Rot - lieben, beeindruckt hat, liegt nahe.

Und nun – es ging es mittlerweile auf 11 Uhr morgens zu – wanderte der Zug mit der am ersten Tag geschaffenen Hauptgottheit in Richtung See. Die Stimmung war fröhlich bis ausgelassen. Es wurde noch etwas mit Farben herumgespritzt, dann aber vor allem nach Trommel und Gesang getanzt. Shamila forderte mich auch zum Tanzen auf, und da mir die einfachen Wechselschritte und die Handbewegungen vom nicht unähnlichen griechischen Tsifteteli her vertraut sind, tanzte ich mit. Dies wurde offensichtlich sehr gerne gesehen und von den Irular als Wertschätzung ihre Kultur durch mich aufgefasst. Die Folge davon war, das ich immer wieder tanzen sollte. 

The Godess returns into the lake.
The Godess returns into the lake.

Das Gebilde aus Neem-Laub löst sich im See auf.  Die Gottheit ist in ihr Zuhause zurückgekehrt.

Sie wohnt im See und zugleich im Neem-Baum. Das Fest klingt in Schweigen aus.

spitzinggu@aol.com

 Neu! Tel.: 040 22604619

„Zukunft Irular e.V“ fördert die Kinder von Ureinwohnern.  Hier erzählt Günter Spitzing über seine Freunde, die Irular.

 Vereinsregister-Nr. 69VR21355

 gemeinnützig und wohltätig!

 (Steuernummer 17/451/04440) 

Irular Kind aus dem Ureinwohnerdorf K.
Irular Kind aus dem Ureinwohnerdorf K.

Aktuelles >> HIER + >> HIER

English Pages >>> HERE

Freundliches Mädchen aus Irular Dorf.
Freundliches Mädchen aus Irular Dorf.
Die pfiffige Magalakshmi. Tochter von Shanjiwi.
Die pfiffige Magalakshmi. Tochter von Shanjiwi.
Würdige Ureinwohner-Frau
Würdige Ureinwohner-Frau


freundliches Irular Mädchen

Älterer Ureinwohner.
Älterer Ureinwohner.
Zu Ehren der Gottheit farbig bemalt.
Zu Ehren der Gottheit farbig bemalt.
Irular Mädchen aus K..
Irular Mädchen aus K..
Er trägt die Gottheit aus Neemzweigen.
Er trägt die Gottheit aus Neemzweigen.
Älterer Irular Adivasi
Älterer Irular Adivasi

Schüchternes Irular Kind

Pfiffiges Mädchen aus Shenneri
Pfiffiges Mädchen aus Shenneri
Mädchen aus Tondamanallur
Mädchen aus Tondamanallur
Logo Zukunft Irular e.V.
Logo Zukunft Irular e.V.

Spendenkonto:

Commerzbank Hamburg

Konto Günter Spitzing (Irular)

IBAN:  DE96 2008 0000 0330 4425 00 

BIC:  DRESDEFF200