Warum ist das so?
Die Irular lebten über Jahrtausende hinweg in Urwäldern und Baumsteppen. Sie sammelten Holz und Früchte, jagten Schlangen und anderes Getier, suchten wilden Honig. Die urwüchsigen Regionen waren ihr gemeinsames, Ihnen vom Himmel geliehenes Land.
Ihr Elend begann in der Kolonialzeit. Das Land, auf dem und von dem sie ursprünglich lebten, wurde mehr und mehr von Fremden in Anspruch genommen. Nach der Unabhängigkeit ließen Holzeinschlag und Bergbau die Wälder mehr und mehr schrumpfen. 1978 untersagten die Forstverwaltungen ihnen den Zutritt zu ihren Wildnis-Territorien in denen und von denen sie lebten.
Die Irular siedeln nicht wie andere Adivasi (Ureinwohner Indiens) in geschlossenen Siedlungsgebieten (z.B. in Ostindien). Die einzelnen Gruppen sind vielmehr über zahlreiche kleinere Weiler und Dorfteile in Tamil Nadu und andern Bundesstaaten Südindiens hinweg verstreut. Meist hausen sie dort in niedrigen, mit Zweigen überdeckten Lehmhütten.
Warum ist das so?
Heute arbeiten die Irular als ungelernte Hilfskräfte in Haushalten, Ziegeleien und Steinbrüchen. Vom Erlös können sie nicht existieren. Sie sind unterernährt und krank. Viele fronen in Schuldknechtschaft.
Auf die Frage hin, wer denn alles im Steinbruch arbeiten muss (und Schulden beim Besitzer hat), heben alle Männer,Frauen und Kinder von Madur die Hand.
Ihre Kinder konnten nicht in die Schule gehen. In den staatlichen Schulen wurden sie entwürdigend und schlecht behandelt. Weil sie keine Ausbildung haben, fehlt es ihnen jetzt, da sie ihrer angestammten Lebensweise nicht mehr nachgehen können, an Verdienstmöglichkeiten und an ausreichender Ernährung, aber auch an Anerkennung durch die übrige Gesellschaft. Viele der arroganten Wohlhabenderen sagen die Adivasi seien Tiere und behandeln sie auch so.
Die Stärke der Irular liegt darin,
+ dass die Gruppen sehr eng zusammenhalten,
+ dass sie ihre humane Religion, ihre Traditionen und ihr hochstehendes
Sozialleben pflege;
+ Das sie selbst flexibel sind und von sich aus bemüht ihre Kultur an die jeweiligen Umstände anpassen;
+ dass sie jede Art von Mission ablehnen.
Deswegen sind viele Irular-Gruppen im Augenblick noch nicht entwurzelt und deswegen ist ihre Kultur noch lebendig.
Sie sind arm und leben unter miesen Bedingungen. Dennoch singen sie gern und tanzen und zeigen gute Laune!
Warum ist das so?
Das hat mehrere Gründe:
+ Aus dem hierarchisch steil angelegtem Kastensystem fallen die
Irular, wie alle Adivasi, heraus. Die große Masse sieht auf sie
herab. Die niedrigen Kasten beziehen ihre Selbstbewusstsein vor
allem daraus, das noch eine Gruppe von Menschen unter ihnen
angesiedelt erscheint.
+ Fanatische christianistische Fundamentalisten versuchen sie zu
indoktrinieren, dominieren und zu missionieren. Die Heiterkeit und
Geselligkeit der Irular ist ihnen ein Dorn im Auge. (Wie penetrant
und verbohrt diese „Missionaries“ sind, das ist für uns kaum
vorstellbar)
+ Vertreter des politisierten Hinduismus versuchen die „Tribals“ zu
hinduisieren und als Dalits (Kaste der „Unberührbaren) in das
Kastensystem hineinzuzwingen.
+ Der relative Wohlstand der umgebenden Bevölkerung übt eine Sog
auf die Armen aus. Die Adivasi sind durch die überwältigende
Macht des Kommerzialismus gefährdet. (Eine gewisse Gefahr,
dass sie der Religion von Cocacola und MacDonalds anheimfallen,
ist schon gegeben.)
Die Behörden haben ihnen ihre Hütten weggenommen und sie in ödes Land umgesiedelt. Meine Freunde und ich konnten sie mit einiger Mühe zurücksiedeln.
Warum ist das so?
Die geistige und soziale Haltung der Irular ist zukunftsfähig! Die Irular haben eine besonders hochstehende Ethik:
+ Frauen und Männer sind nahezu gleichberechtigt. Frauen fallen sogar besonders auf, weil sie sehr aktiv sind.
+ Kinder wachsen mit Liebe und Zuwendung auf. In Irular-Familien
wird – in der Regel - keine Gewalt ausgeübt und Kinder und Frauen
werden nicht geschlagen. Die Irular gehen liebevoll miteinander um.
Ethisch und in ihrem Sozialleben passen die noch vor kurzem naturnah lebenden Menschen nicht nur gut in eine moderne Gesellschaft, sondern sie sind dafür sogar absolut vorbildlich.
Die Irular-Kultur soll gewiss auch schon deshalb erhalten bleiben, weil die Bewahrung einer Vielzahl von Kulturen genau so wichtig ist, wie etwa der Schutz von Pflanzen-Tier-Biotopen. Aber weit wichtiger ist, dass der Kultur der Irular wegen ihres ungewöhnlich hohen ethischen und sozialen Standards eine entscheidende Rolle für die Gestaltung der Zukunft der Menschheit zukommt - sofern wir uns denn eine humane und deshalb lebenswerte Zukunft wirklich wünschen.
In den 15 Jahren meiner Zusammenarbeit mit den Irular hat sich herausgestellt, das selbst die ärmsten Kinder, die kaum Kleidung hatten und krank und vernachlässigt wirkten, sich in ganz kurzer Zeit erholt haben, Mut fassten und auch gut in der Schule mitkamen. ,Einzige Voraussetzung: Ausreichende Schulspeisung und regelmäßiger Vorschul- oder Schulunterricht. Es kann mit verhältnismäßig geringen Mittel viel erreicht werden. Die Kinder gehen jetzt sehr gerne zur Schule und haben überdies eine exzellente Auffassungsgabe.
Sobald die Irular aus der Lethargie der Armut herausgeholt worden sind, beginnen sie für sich selbst zu sorgen und einen überschäumenden Optimismus und liebenswerten Humor zu entwickeln.
VORHER:
Irular-Kinder: Maßlos arm, unterernährt, ohne Kleidung, ohne gesundes Wasser. Und dennoch: Aus dem Gesicht von Kasturi (rechts) strahltt Intelligenz und Gemüt.
NACHER:
Kasturi (Mitte), Geschwister und Freunden, nach einem Jahr Speisung und Unterricht!
Da ist wirklich was zu erreichen!
Wie können wir das erreichen?
Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass die Kultur der Irular zerstört wird. Wir wollen aber auch Hand in Hand mit ihnen Möglichkeiten erkunden, wie sie auf der Grundlage einer guten Ausbildung in eigener Verantwortung ihr Leben selbstständig gestalten können. Dazu gehört, dass sie sich auskömmlich ernähren, ihre medizinisch Versorgung sichern – kurzum, dass jeder Einzelne sowohl für sich selbst als auch für seine Gemeinschaft eintreten kann.
Ich habe mit den Irular ausführliche Gespräche über ihre Zukunft geführt. Und wir sind uns einig:
Die Irular wollen lernen und sie wollen sich die Fähigkeit aneignen, in zwei Welten zu leben - zugleich in der ureigenen Welt ihrer traditionellen Kultur und in der Welt des modernen Indiens als loyale Staatsbürger dieses großen Landes. Mit etwas Hilfe von unserer Seite sind sie ohne weiteres fähig, sich selbst zu helfen.
Die Irular sind durchaus in der Lage sich selbst aus ihrem Elend zu befreien. Doch sie brauchen eine Anschub. Und dazu wollen wir ihnen verhelfen.
Dazu gehört eine verlässliche Sozial-Spezialisten, der wir und sie vertrauen können und die ihnen vor allem bei Seite steht, damit die richtigen Ausbildungswege für die Kinder erschlossen werden können.
Und dazu gehört Schulspeisung.
Wir müssen noch einiges gegen Unterernährung tun. Ein unterernährtes Gehirn kann nicht gut lernen. Ausreichende Ernährung ist unabdingbar.
Man muss nicht nur helfen wollen, sondern man muss auch helfen können.
Bei den Irular sind alle Voraussetzungen dafür geben, das sie innerhalb des nächsten Jahrzehntes eine wesentliche Verbesserung ihrer Situation und nicht zuletzt auch Selbstständigkeit erreichen.
Die Irular sind sich durchaus bewusst, dass sie Lehrer, Ärzte, Kaufleute, Anwälte, Agrar- und Wasserspezialisten und Anwälte aus ihren eigenen Reihen brauchen. Nur so kann ihre Kultur überleben und nur so können sie gleichberechtigt in ihrer indischen und in der internationalen Umwelt leben.
Vorbereitungen für das große vierTage währende Festival im Monat Adimasam.
Wie können wir das schaffen?
Das können wir schaffen mit Ihrer Unterstützung!